Das „Pentazhong Nocticon“…

‚Nabend!
Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, sehe ich in vielem, über das in den bekannten Foren intensiv diskutiert wird, eine Art „Hype“, der durch eben diese Foren befeuert wird. Es gibt ein paar Ausnahmen. (So finde ich, dass z.B. im „digicamclub.de“ kein Hype gepflegt wird, sondern sich ziemlich sachlich über Kameras und Objektive ausgetauscht wird.)
Wie auch immer. Einer dieser Hypes ist das Fotografieren mit hochgeöffneten Objektiven. Alles, was eine maximale Blendenöffnung von mehr als f/1.4 hat, wird von Offenblendfans nicht mehr ernst genommen. Es muss schon ein f/1.2-Objektiv sein – wenn möglich noch „schneller“.

Schade ist nun, dass durch solch ein „Hype-Geplänkel“ bisweilen verloren gehen kann, dass es in der Tat sinnvolle Anwendungen für bestimmte fotografische Parameter gibt. Moderne Digitalkameras leisten bei ISO-Werten von über 6400 derart viel*, dass eine hochgeöffnete Blende nicht mehr für die „available light„-Fotografie benötigt wird – wohl aber für gestalterische Zwecke sinnvoll, ja sogar unabdingbar ist. Eine der Faustregeln, die jedem halbwegs erfahrenen Fotografen vertraut ist, ist die Beziehung von Blendenzahl und Schärfentiefe: je weiter eine Blende geöffnet ist, desto geringer ist die Schärfentiefe und desto stärker ist die Freistellung eines Motivs vor dem Hintergrund. Das gilt für jede Sensorgröße (allerdings spiele diese auch eine Rolle). Das bedeutet also, wenn ich ein Motiv freistellen möchte, kann ich eine hochgeöffnete Blende dafür nutzen. Dumm ist nur, dass ein Objektiv umso schwieriger und aufwändiger zu entwerfen und bauen ist, je weiter es öffnet. Die Kosten steigen exponentiell. Ein f/1.4-Objektiv ist daher deutlich teurer als ein f/1.8 und ein f/1.2 ist nochmals um einiges teurer als das f/1.4. Vom Leica Noctilux-M 0.95/50 wollen wir lieber gar nicht erst reden.
Wer aber diesen speziellen Effekt erreichen und nutzen möchte, der muss in den sauren Apfel beißen.

Es gibt auch – und an dieser Stelle sind wir wieder bei der „Adaptiererei“ – ältere manuelle Objektive mit Blende f/1.2. Diese zeigen aber häufig bei Offenblende deutliche Abbildungsfehler, weil eine komplette Korrektur einfach zu aufwändig gewesen wäre. Man muss also eine Beeinträchtigung der Abbildungsleistung in Kauf nehmen. „Mein“ 1.2er, das Nikkor-S.C 1.2/55 ist bei f/1.2 auch keineswegs fehlerfrei. Ich kann aber mit den Einschränkungen leben, dafür nutze ich immerhin Blende f/1.2!

Was bedeutet das nun? Extrem lichtstark + exzellente IQ bei Offenblende + günstiger Preis = nicht möglich.
Man muss entweder mit Abbildungsfehlern leben, auf die hohe Lichtstärke verzichten oder tief in die Tasche greifen.

Ein Objektiv, dass zeigt, was möglich ist, ist das Fuji XR 1.2/56. Es ist hochöffnend, schon bei Offenblende exzellent und mit rund €1000,- noch halbwegs bezahlbar. Das ist aber nur möglich, weil es „nur“ den APS-Bildkreis abdeckt. Schon das Canon EF 1.2/50 L, welches bei Offenblende nicht an die Leistung des 56er Fuji heranreicht, kostet das 1 1/2fache.

Ich habe nun eine Weile dem Engelchen und dem Teufelchen auf meinen Schultern zugehört und hin und her überlegt, ob das Fuji 1.2/56 eine sinnvolle Ergänzung in meinem Objektivset wäre. Irgendwie hätte ich es ja schon gerne. Doch würde ich ein Portraittele intensiv genug nutzen, um die Ausgabe zu rechtfertigen? Gewonnen hat das Engelchen und ich habe mich gegen einen Kauf entschieden – auch, weil ich einige sehr gute 1.4er und eben das 1.2er Nikkor bereits habe.

Während meine „internen Auseinandersetzung“ – da hätte so mancher Autor einen regelrechten „stream of consciousness“ draus machen können – habe ich mich daran erinnert, dass ich ein kleines Ausrüstungsteil, das in genau diese Richtung geht, noch gar nicht so richtig getestet habe. Zum Glück habe ich Urlaub und so stand einem Test nichts mehr im Weg.

Es handelt sich um den „LensTurbo“ von Zhongyi, der wiederum eine Art Klon des bekannteren und deutlich teureren SpeedBooster von Metabones ist. Das sind sog. „Focal Length Reducer“, deren optisches Linsensystem es möglich macht, das für das Kleinbild gerenderte Bild eines Kleinbild-Objektivs auf einen APS-Sensor zu „komprimieren“. Damit entfällt der „Crop-Faktor“ (beinahe). Ein 50mm-Kleinbild-Objektiv wirkt auch auf APS (in etwa) wie ein 50mm-Objektiv – etwa 10% muss man dazu rechnen, so dass man den Bildwinkel eines 55mm-Objektives erhält. Es findet also eine Reduzierung der Brennweite statt. Das 50mm-Kleinbildobjektiv wird zum 35mm-Objektiv (für den APS-Bildkreis) umgerechnet und wirkt durch den Crop-Faktor des APS-Sensors wieder wie ein 50er. Hier ist recht gut beschrieben, wie diese Wunderdinger funktionieren.
Das wirklich Verblüffende ist, so die Marketingsaussagen der Hersteller, dass auch die Abbildungsfehler reduziert werden und zudem eine Blende an Lichtstärke gewonnen wird. Das mit den Abbildungsfehlern ist m.E. nur theoretischer Natur, denn immerhin tritt ein weiteres Linsensystem in den Strahlengang, so dass die theoretisch-rechnerische Verbesserung schnell wieder aufgehoben werden kann, wenn die Linsen im Adapter nicht in Top-Qualität gefertigt sind. Aber Physik ist Physik und so war nicht nur die Brennweitenverkürzung (diesmal in echt!) sondern auch der Lichtstärkegewinn Grund genug, mich auf das „Abenteuer LensTurbo“ einzulassen.

Da zu der Zeit als ich den Zhongyi kaufen wollte für das Fuji-X System nur ein LensTurbo für Pentax-K-Objektive lieferbar war – und mir das als Pentax-Sympathisant auch gut in den Kram passte – bestellte ich also den FL-Reducer. Man kann fast alle Objektive mit Pentax-K-Bajonett daran nutzen. Ein 14mm wirkt wieder wie ein extremes Weitwinkel (etwa wie ein 15er). Allerdings muss man, je weitwinkliger das eigentliche Objektiv ist, umso stärker Abblenden, um noch eine ausreichend gute Eckleistung zu erhalten.

Da wir aber eingangs über „Freistellungs-Künstler“ gesprochen hatten, war nun für mich viel interessanter, ob sich der LensTurbo auch als „Noctilux-Ersatz“ eignet. Also flanschte ich ein SMC Pentax-A 1.4/50 an den Reducer. Diejenigen, die es kennen, wissen, dass es ein mehr als nur brauchbares Objektiv ist. Denn zaubern – also aus einem Flaschenboden ein Spitzenobjektiv machen – das kann kein noch so guter LensTurbo.

LTXT1

 

Wenn der Hersteller recht behält, so bietet das Objektiv an der X-T1 den Bildwinkel eines 55m-Objektivs am Kleinbild und zwar mit der Lichtstärke und der Freistellungskraft einer Blende f/1.0. Das ist also mein „Pentazhong Nocticon“. 😉

Hier nun der Vergleich zwischen dem Fuji XR 1.4/35 und dem Pentax-A 1.4/50 am LensTurbo:

14_14

 

Was kann man erkennen?

1. Der Bildwinkel der Pentax-LensTurbo-Combo ist etwas enger als der des Fuji. Da das Fuji in etwa einem 52mm-Objektiv entspricht, könnte die Combo durchaus im Bereich von 56mm liegen.

2. Die Freistellung ist mit der Combo in der Tat stärker als mit dem Fuji. Da kommt eine Blende f/1.0 durchaus hin, wie auch folgende Bilder zeigen:

14_20

14_28

Die Freistellung des Fuij bei Blende f/1.4 entspricht eher dem Pentax bei f/2.0 (vielleicht sogar f/2.8) am LensTurbo.

3. Die Belichtungszeit war mit der Combo deutlich kürzer. Auch dies deutet bei gleichbleibender ISO-Einstellung auf eine höhere Lichtstärke hin. Dies schwankte aber von „halb so lange“ bis „30% kürzer“ – was mit der Belichtungsmessung der Kamera zu tun hat.

Fazit? Der LensTurbo funktioniert! Man erhält einen weiteren Abbildungswinkel, eine höhere Lichtstärke und ein größeres Freistellungspotential. Wenn es die Combo Pentax 1.4/50 + LensTurbo als ein Objektiv für APS gebe, dann wäre es vermutlich ein „1.0/38“. Das ersetzt natürlich weder ein Fuji XR 1.2/56 noch ein Noctilux, aber immerhin. Wenn man bedenkt, dass man diese Combo zusammen für unter €300,- bekommen kann, bietet sie ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis.

 

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* Von solch einer Bildqualität konnte ich damals als ich auf Film fotografiert habe nur träumen. Wenn ich an die Fotos denke, die ich mit einem auf ISO 3200 gepushten Fuji 1600 gemacht habe… Kein Vergleich zu heute!

8 Gedanken zu “Das „Pentazhong Nocticon“…

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  2. Auguste Deter

    Vielen Dank für den informativen Beitrag. Ich verwende auch den von Dir favorisierten Adapter im Zusammenspiel mit lichtstarkem Minolta-Altglas. Allerdings werde ich in der Praxis damit nicht ganz so glücklich, da der Lensturbo doch etwas schwergewichtig ist und eigentlich nach der Hinzunahme eines Handgriffes verlangt. Außerdem haben meine Scherben immer etwas Spiel. Ein leichter 0-8-15 Adapter funktioniert dagegen tadellos. Ein 58 1,2 oder ein 55 1,7 mutiert zu einem – in meinen Augen – phantastischen kurzen Portraitele mit sehr gefälligem Bokeh und prima Freistellungspotential. Ich hätte nie gedacht, daß manuelles Fokussieren so viel Spaß machen kann …

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