Eine „Königin“…

Warum „Königin“? Nun, aus gleich mehreren Gründen:

  • Sie fotografiert im „Königsformat“ 6×7 (exakt 56 x 69 mm).
  • Sie ist überaus elegant und edel.
  • Sie steht über den kleinen Dingen des Alltags.
  • Sie liefert in ihrem Bereich grandiose Leistungen, ist aber nicht bereit, sich für alles anzubieten.
  • Es macht sich ein Gefühl der „Klasse“ (und der „Klassik“) breit, wenn man sie nutzt.

Vor etwa drei Wochen („Kinder, wie die Zeit vergeht!“) habe ich bereits auf sie hingewiesen. Und nun ist der erste Film entwickelt zurück – und der zweite, diesmal ein Fuji Superia X-Tra 400 ist geladen.

Es geht um die Mamiya 7:

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Ein überaus großzügiger Fotofreund hat mir diese Kamera mit einem Mamiya N 4/80 für eine Zeit lang zur Verfügung gestellt. Ich weiß zwar nicht, ob er das aus reiner Großherzigkeit gemacht hat oder hofft, mich derart davon zu begeistern („anzufixen“), dass ich mein Konto plündere und ihm diese Kamera abkaufe ;). Mittelfristig möchte er sich von der „7“ trennen. Wer also Interesse an diesem Traum hat, der kann sich bei mir melden. Ich vermittle dann.

Und im Ernst, wenn man mit der Mamiya fotografiert, dann kriecht in einem dieses altbekannte „Habbe-wolle“-Gefühl hoch, die Vorstellung vor dem inneren Auge, wie es wäre, für immer mit dieser Kamera fotografieren zu können. Aber nein, unsere diesjährigen Projekte rund ums Haus fordern jeden Euro. Daher gilt für mich das 2016er Motto: „Keine großen Sachen.“ (Film, Entwickler, Objektivdeckel usw. sind erlaubt.)

Wie auch immer. Kommen wir wieder zurück zur Kamera.

Die Mamiya 7 ist eine Mittelformat-Messsucherkamera. Das alleine bringt ihr schon den Stempel „selten“, denn die meisten Mittelformat-Modelle sind SLR– oder TLR-Kameras.
Hier und da findet man eine Rollfilm-Kamera, die zum Fokussieren einen Messsucher (ähnlich wie der, der in einer Leica M zu finden ist) nutzt: meine Moskva-5 hat z.B. einen (wenn auch sehr rudimentären) und die fantastische (aber sehr teure) moderne Voigtländer Bessa III hat auch einen (extrem guten). Die Mamiya 7 bietet einen Messsucher, der sich nicht vor dem in meiner Leica M6 verstecken muss!

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Der Sucher ist mittelformattypisch sehr groß, zudem sehr hell und der Messsucher arbeitet sehr präzise, was bei dem hohen Freistellungspotenzial des Mittelformates auch wichtig ist. Das „Normal“-Objektiv (80mm entsprechen bei 6×7 einer leicht weitwinkligen Standardbrennweite ~ ca. 38mm) hat zwar „nur“ eine max. Lichtstärke von f/4, doch was die Möglichkeiten, mit knapper Schärfentiefe zu spielen angeht, ist das vergleichbar mit Blende f/2.0 auf Kleinbild. Das Mamiya 4/80 entspricht dahingehend demnach in etwa einem „2.0/38“ an einer 24x36mm-Kamera. Das sind sehr vielseitige Parameter, wie jeder weiß, der schon einmal mit einem 2.0/35 an seiner Spiegelreflex fotografiert hat.

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Rechnung (Annäherung): Die diagonale Bildgröße bei Kleinbild beträgt ca. 43mm, die des 6x7-Formates etwa 89mm. Der "Crop-Faktor" errechnet sich demnach auf ca. 0,48, was bei 80mm ein Brennweitenäquivalent von etwa 38mm und bei f/4 einen Blendenäquivalent von etwa f/1.9 ergibt.

Die schlechtere Lichtstärke kann man durch die Wahl eines Films mit höherer Empfindlichkeit ausgleichen, denn die Körnung wird im Format 120 nicht so deutlich wie bei einem Format 135 Film, da man für Abzüge weniger stark vergrößern muss.

Soviel zunächst zum „Technobabble“. Die „7“ ist einfach eine wunderschöne Kamera:

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Lassen Sie uns kurz einen Blick in die Geschichte werfen, ohne allerdings zu ausführlich und zu tief einzutauchen. Mamiya bot bereits in den 1940ern und 1950ern eine Mittelformat-Messsucherkamera im Format 6×6 an, die „Mamiya SIX„. In den 1960ern konzentrierte man sich mit der „Press“-Reihe mehr auf das Format 6×9. Ende der 1980er kam dann die Mamiya 6, die direkte Vorgängerin der „7“ auf den Markt, ebenfalls noch mit quadratischem Film-Format 6×6. (Einen schönen und fundierten Vergleich zwischen den Formaten 6×6 und 6×4,5 findet man hier.) Mitte der 1990er ergänzte dann eine 6×7-Kamera, die Mamiya 7, das Angebot. Die letzte Inkarnation war die Mamiya 7 II.

Was macht nun die Bedienung der „7“ so faszinierend? Mamiya hat der Kamera sehr viele kleine, wunderbar durchdachte Details mitgegeben.

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Das Rad auf der rechten Schulter der Kamera dient gleichermaßen zum Einstellen der Belichtungszeit (bzw. zur Wahl der Zeitautomatik) wie zur Einstellung des ISO-Wertes des Films und zur Wahl der Belichtungskompensation. Der Filmtransporthebel läuft leichtgängig und vermittelt jederzeit das Gefühl der zuverlässigen Funktion. Per Ring unter dem Auslöser schaltet man die Kamera an (weißer Punkt zu weißem Punkt). Der Auslöser selbst hat einen angenehmen Druckpunkt. Ach ja, einen Selbstauslöser hat die Mamiya auch.

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Auf der Unterseite der Kamera findet sich das Batteriefach, ein Filmrückspulknopf (falls man auf 135er Film Panoramaaufnahmen macht), die manuelle Steuerung des Verschlussvorhangs, die als Sicherung für das Objektivbajonett dient, damit vermieden wird, dass bei Objektivwechsel ein Bild verloren geht, und das Stativgewinde. Kleine Springsicherungen innen ermöglichen den Filmwechsel und verhindern ein versehendliches Herausrutschen der Filmrolle. Das wirkt alles überaus durchdacht und fühlt sich sehr wertig an.

Natürlich ist die Mamiya 7 groß, vor allem, wenn man Kleinbildkameras gewöhnt ist, aber das Negativ ist ja auch fast 4,5x so groß (!) wie ein Kleinbildnegativ. Irgendwoher muss das ja kommen. Verglichen mit anderen 6×7-Kameras, wie der Pentax 67 Spiegelreflex, ist die Mamiya direkt „kompakt“. 😉

OK, technisch ist sie sauber konstruiert und verarbeitet. Das Design ist sinnvoll und ansprechend. Aber eine Kamera ist immer nur so gut wie die Bildergebnisse, die sie liefert. Ich kann es vorweg nehmen, auch hier leistet sich die Mamiya 7 keine Schwächen. Das 80er Objektiv ist scharf, kontrastreich und bietet darüber hinaus eine angenehmes Bokeh. Die anderen Objektive stehen in einem gleichermaßen guten Ruf. Da der Film offenbar sehr plan liegt und exakt transportiert wird, sind die Fotos erwartungsgemäß beeindruckend.

Ein Format wie das 6x7er spielt seine Stärken natürlich in erster Linie bei großen Abzügen aus, was sich hier im Blog nicht darstellen lässt. Ein paar Fotos, aufgenommen auf Kodak Portra 160 (einem meiner Lieblingsfilme für’s Mittelformat) möchte ich dennoch zeigen, fotografiert während der drei „Schneetage“, die wir hier in Oberhessen in diesem Winter hatten und „quick & simple“ gescannt mit dem Epson 3200 Photo per SilverFast:

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Landschaft, Blick in den „Ebdsorfergrund“, Blende f/11
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Meine Kinder in unserem Garten, Blende f/4.
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Brunnen in Marburg, Blende f/4.

Weitere Bilder folgen, sobald der Fuji-Film belichtet und entwickelt wurde.

Ich muss zugeben: Ich bin begeistert von der Kamera. Jedem, der auf Mittelformat und mit einem Messsucher fotografieren möchte, kann ich die Mamiya 7 absolut empfehlen. Ob sich nun die „7“ von der „7 II“ großartig unterscheidet kann ich nicht sagen. Da muss man wohl ein wenig Internet-Recherche betreiben.

Wer eine Bedienungsanleitung für die Mamiya 7 sucht, wird übrigens – wie so oft – bei Butkus fündig: >> Manual <<
An dieser Stelle mein erneuter Aufruf, Mike Butkus für seine tolle Arbeit etwas zu spenden. Ich habe das heute morgen wieder gemacht. Er hat es verdient!

>> Ein interessanter Link zu einem Bericht über die Mamiya 7 II. <<

 

5 Gedanken zu “Eine „Königin“…

  1. uwerichtersfotoblog

    Sehr schönes Teil! Seit ich damals gesehen habe, was Bettina Rheims mit ihr angestellt hat, träume ich von dieser Kamera … Liegt aber sicher noch außerhalb meines Budgets 😦

      1. uwerichtersfotoblog

        Nee, das wird nichts. Ich habe mir gerade die Fuji X100T zu meiner X-Pro1 gegönnt … und einen weiteren 4-stelligen Betrag kann ich definitiv nicht ausgeben.

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